Ö1-Musikkolleg: Chopin der Kreolen. Die vielen Facetten des Louis Moreau Gottschalk

Ein Pianist, der so brillant spielte, dass seine Werke nur von ihm vorgetragen werden konnten, ein Komponist, der als erster in der Musikgeschichte Fusion-Musik schuf, ein Superstar, dem die Fans hinterherreisten, ein charmanter Medienprofi, dessen Aufführungen hymnisch gelobt wurden.

Ein vergessenes Genie

Die Ursachen für dieses Vergessen liegen in seinem Talent, seiner politischen Einstellung und dem Aufbruch in eine neue musikalische Ära nach seinem Tod: Gottschalks Stücke waren so kompliziert und schwierig, dass oftmals nur er selbst sie spielen konnte; Tonaufnahmen gab es noch nicht. Sein Engagement als geborener Südstaatler für den Norden während des Bürgerkriegs machte ihn im Norden populär, in den Südstaaten allerdings äußerst unbeliebt. Und die Musik, die Aufführungen, die Art des Vortrags waren einfach passé, als er 1869 - mit vierzig Jahren - starb.

Aber der Reihe nach
Der älteste Bub von sieben Geschwistern wurde 1829 in New Orleans geboren. Einem Ort, an dem Musik und Kultur lebendig, durchmischt und ständig präsent war. Die Familie Gottschalks war multikulturell: der Vater in London geboren mit österreichisch-jüdischen Vorfahren aus Eisenstadt, die Mutter aus einer französischen Familie, die aus den Kolonien Santo Domingos vor den Sklavenaufständen um 1800 nach New Orleans geflohen war.

Edward Gottschalk hatte vor seiner Heirat mit einer freien schwarzen Frau, der er Eigentum und Besitz überschrieben hatte, eine erste Familie gegründet, um seinen Gläubigern zu entgehen. Die unfreiwillige Patchwork-Familie lebte nur wenige Schritte voneinander entfernt.

Die musikalische Begabung Moreaus, wie er gerufen wurde, wurde früh entdeckt. Die Wurzeln, betonte der Musiker später, lagen in den Melodien, die er von seiner kreolischen Großmutter und seiner afroamerikanischen Kinderfrau mitbekommen hatte. Diese kreolische Kultur, die von den Menschen in New Orleans geprägt wurde, nahm er als 12jähriger mit nach Paris, wo er eine Klavier- und Kompositionsausbildung erhielt und schon bald in den Pariser Salons für Furore sorgte: der amerikanische Teenager mit dem verblüffenden Talent.

Während seiner Rekonvaleszenz nach einer schweren Typhuserkrankung 1848 schrieb Louis Moreau Gottschalk die Stücke, die ihn zeitlebens populär machen sollten: La Bananier, La Savane, Bamboula, die kreolische und nordafrikanische Elemente integrierten. Die Synkopen, die rhythmischen Verschiebungen, die später im Ragtime und Jazz stilprägend sein sollten, nahm er bereits 60 Jahre vor George Gershwin vorweg.

"Ich habe versucht die Idee des einzigartigen Rhythmus und den charmanten Charakter der Musik (von Le Bananier) zu übermitteln, die man unter den Kreolen der Spanischen Antillen findet. Was Chopin an Eigenschaften der polnischen Mazurkas und Polonaisen zu vermitteln vermochte, versuche ich auf dieselbe Weise für die Tänze der Westindischen Inseln zu tun.", schrieb der junge Komponist über das Stück, mit dem er in Europa den Durchbruch schaffte.

Mit 20 Jahren beendete er seine Ausbildung und begann sein unstetes Leben. Ausgedehnte Tourneen, kleinere Konzertreisen führten ihn durch die Karibik, Südamerika, Europa und große Teile der Vereinigten Staaten. Mit den Einnahmen versorgte er seine Familie - bis zu seinem Tod.

Dass er mit Ehrungen überhäuft wurde, vor der spanischen Königin und dem brasilianischen König spielte, mit Komponistengrößen freundschaftlich verkehrte, politisch interessiert war, innovative Stücke komponierte, als Frauenliebling für Klatsch und Tratsch sorgte, das alles ist heute vergessen. Auch in den Vereinigten Staaten, die er nach einem inszenierten Skandal um eine angebliche Verführung eines Schulmädchens verlassen musste.

Im Dezember 1869 brach Moreau Gottschalk während eines Konzerts in Rio tot über dem Klavier zusammen, nachdem er das Stück "La morte!!" beendet hatte. Sein früher Tod wurde von Anhängern und Musikerkollegen betrauert, sein Vergessen konnten aber weder seine zeitlosen Stücke, sein ungewöhnliches Leben und Sterben wie auch seine einzigartige pianistische Begabung verhindern.

Literatur:

Octavia Hensel: Life and Letters of Louis Moreau Gottschalk. Boston: Oliver Ditson, 1870.

Louis Moreau Gottschalk (Editor Jeanne Behrend with a foreword by Frederick Starr): "Notes of a pianist" Princeton University Press 2006

S. Frederick Starr: "Bamboula! The Life and Times of Louis Moreau Gottschalk." New York - Oxford University Press 1995

Reinhold Wagnleitner (Ed.), Satchmo Meets Amadeus. Innsbruck: Studienverlag 2006

DVD-Tipps:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dc/Louis_Moreau_Gottschalk_-_Brady-Handy.jpg
Vortrag und Piano Recital
R. Wagnleitner und Tom McDermott, Jazz - die klassische Musik der Globalisierung DVD (Salzburg UniTV.org, 2004)
Lecture and Concert
R. Wagnleitner und Tom McDermott, Jazz - the Classical Music of Globalisation DVD (Thessaloniki: CEDEFOP 2004)
Musikliste
Komponist: Louis Moreau Gottschalk
Gesamttitel: LOUIS MOREAU GOTTSCHALK: KLAVIERMUSIK VOL.3
Titel: Bamboula < Danse des negres > op.2 RO 20 - für Klavier
Solist: Philip Martin /Klavier
Label: Hyperion CDA 66915

Komponist: Louis Moreau Gottschalk
Gesamttitel: LOUIS MOREAU GOTTSCHALK: KLAVIERWERKE, Vol.1
Titel: Bamboula op.2 - Danse des Negres für Klavier
Solist: Eugene List /Klavier
Label: Vanguard Classics 08405071

Komponist: Louis Moreau Gottschalk, Arrangement Tom McDermott
Titel: Bamboula
Ausführende: Tom McDermott
Label: STR Digital Records
Titel des Stücks: Bamboula
CD: Choro do Norte
Ausführender: Tom McDermott
Komponist: Louis Moreau Gottschalk, Arrangement Tom McDermott
Label: STR Digital Records
Label: Dermitunes Bmi
Titel des Stücks: Manchega
CD: Louisianthology
Ausführender: Tom McDermott
Komponist: Louis Moreau Gottschalk, Arrangement Tom McDermott

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